Krokodile von Köln Richtung Tenkodogo

Mir ist mulmig und alles schießt mir gleichzeitig durch den Kopf. „Jetzt hängst du hier auf 35Quadratmeter mit Kind, mitten in deinem KHM-Abschluss und alles ist auf null!

Winter 1997, ich liege in der Badewanne und habe ein fünf Monate altes Baby auf dem Bauch. Mein Mann Salif steht vor mir mit den Worten „Ich fliege nach Burkina!“ Mein Kopf pulsiert, gerade mal zwei Wochen verheiratet und schon diese Ansage.

Wach auf Britta!“ Ich fühle mich einsam und lost. Doch meine Ungewissheit war immer auch ein Motor, mich auf das Leben und Geschichten einzulassen. Wie ein Vorhang, durch den ich gehen muss. Ich fahre Salif zum Flughafen und zwei Woche später sitze ich mit Kaddi im Flugzeug. Aus dieser spontanen Entscheidung folgen jährliche Reisen zur Familie ins Dorf Tenkodogo und mein Abschlussfilm BILFOU BIGA.

2000 beginnen die Dreharbeiten zum Dokumentarfilm DIE KROKODILE DER FAMILIE WANDAOGO mit Oliver Schwabe als Kameramann und meiner Erfahrung, erstmals in einem Team arbeiten zu können. Mein Konzept war ein lose formuliertes Vorhaben, das die Turbulenzen zwischen den Kontinenten versuchte zu erzählen.

Auszug Konzept DIE KROKODILE DER FAMILIE WANDAOGO:

Am besten lernst du bei der Gründung deiner Familie deine eigenen vier Wände von innen kennen und wenn nicht, dann brichst du zumindest als Frau in einen zeitlichen Hochleistungssport aus. Familiengründung in Deutschland ist eine waghalsige Unternehmung. Und in Afrika, das kennen wir ja, dort scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Ein Kontinent, in dem die Menschen eins mit sich selbst und ihrem Land sind. Das Afrika, das ich kennengelernt habe, heißt Tenkodogo, eine Kleinstadt westlich von Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Ein Dorf abseits von vielem, rau, schlicht, arm und pulsierend. Der Tag trägt das Leben und das Leben den Tag wie einen geschätzten Augenblick.

Gemeinsam sind Luft und Erde

Kann man ein Land sprechen lassen, ohne in Ethnografisches zu verfallen? Ist es notwendig, das Spektrum eines Kontinents auf einen Begriff zu bringen? Ich brauche nicht angestrengt darüber nachzudenken, was ich erzählen möchte! In den Zeiten, in denen ich mit und ohne Kamera in Afrika unterwegs war, war eines sicher:

Es wird alles anders kommen, als du jemals gedacht hast. Dein Mann wird sich total ändern, deine Tochter wird komplizierter und du wirst im Strudel mit dir selbst stehen. Andere Vorstellungen und Spannbreiten annehmen müssen. Wirst sehen, wie die Zeit verstreicht, wirst heulen und allein sein. Offenen Auges für das, was vor sich geht. Für jeden erkenntlich und doch unsichtbar in deinem eigenen Kopf. In einer hoffnungsvoll fließenden Unternehmung: Warum bin ich wieder und wieder hier? Afrika ist für einen Europäer kein Spaß.

Der gesamte Dreh war ein Experiment. Ollie und ich sichten nachts bei Kerzenlicht, wenn das Hofleben sich etwas entspannt hat. Wir filmen ohne eine gemeinsame Sprache um uns herum. Planen Besuche zum Krokodilsee oder anderen Wandaogo-Verwandten. Mein halbgares Französisch ist vorhanden, doch oft drehen wir wortblind in Mooré oder Bissa. Wir verlassen uns auf unsere Beobachtungsgabe und den gemeinsamen Hang zur Flexibilität. Diskutieren die nächsten Schritte oder versuchen Salif auf seinen Reisen zu begleiten. Das rote Auto packen wir voll mit allen Wandaogo-Kindern, die voller Energie für unsere Tagesausflüge sind. Die Dreharbeiten folgen täglich einem neuen Fokus. Improvisation, Ausprobieren und ein kontinuierliches Infragestellen sind eine tägliche Herausforderung.

Britta Wandaogo 15. November 2021

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