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„Der Struggle ist real“ ist der dritte Film, den du über deine Tochter gedreht hast. Entscheidest du nach jedem der Filme neu, ob du das Projekt eines biograpischen Films fortsetzt, oder hast du einen Plan, wie lange du sie filmisch begleiten willst?
Ich entscheide eigentlich immer ad hoc. Alle Filme haben einen unterschiedlichen thematischen Fokus. Im Film „Die Krokodile der Familie Wandaogo“ geht es um den Struggle ihrer Eltern. „Krokodile ohne Sattel“ erzählt über das Aufwachsen zwischen den Welten. Es vergehen bei uns auch familiäre Jahre, in denen die Kamera gar nicht existiert.
Was hat dich dazu bewogen, deine Tochter als Protagonistin zu wählen?
Weil Kaddi in Bildern sprechen kann. Sie ist ein ganz normalsterblicher Teenager, hat eine Leichtigkeit und Humor, aber auch eine Traurigkeit, die sie zulässt. Sie kann laut denken, spricht manchmal auch in Rätseln oder unlogisch, aber nie eindimensional. Kaddi ist die Kamera egal beziehungsweise nicht wichtig. Für mich ist die Kamera auch „nur“ ein Instrument, aber ich sehe beim Dreh auf die Blickrichtung der Kamera, nicht auf meine. Aber das funktioniert eher unbewusst.
Was ist der Unterschied zur Arbeit mit einer Person, mit der du keine so enge Bindung hast?
Ich unterscheide nicht zwischen fremd oder nicht fremd. Aber ich muss spüren, ob jemand die Kamera wirklich vergessen kann. Ich finde, jegliche Kontrollgedanken sieht man in den Augen. Selbstbeobachter oder Bühnenmenschen können das oft nicht, sie spielen ihre Rolle, das ist für mich komplett uninteressant.
Du bist häufig Regisseurin, Kamerafrau und Cutterin in Personalunion. Wie ist diese Arbeitsweise entstanden, statt mit einem Team mit Aufgabenteilung zu arbeiten?
Das liegt oder lag vor allem an der Flexibilität. Ich habe damals alleine auf der Platte in Dortmund begonnen mit einer kleinen Kamera rumzulaufen und bin gar nicht davon ausgegangen, dass jemand mit mir kommen würde. Wer will schon ins Elend? Wer hat schon monatelang Zeit? Aber es entsteht auch eine ganz andere Konzentriertheit, wenn man alleine unterwegs ist. Der Mensch vor der Kamera ist allein und man selbst auch, im übertragenen Sinne gesprochen. Intensität, Ehrlichkeit oder auch Rohheit haben eine direktere Qualität. Und warten bis ein Team bereit ist, ist sowieso müßig.
Eine Stärke deiner Filme ist der Eindruck der Spontaneität, des Ungestellten oder Unverfälschten in der Begegnung mit deinen Protagonisten, was häufig mit dem Look eines Home Movies einhergeht. Gleichzeitig ist die Montage kunstvoll und präzise. Hast du ein Stil-Ideal, oder erfindest du dich stilistisch von Film zu Film neu?
Das Ungestellte oder Unverfälschte hängt unter anderem letztendlich mit einem selber zusammen, also dem Menschen hinter der Kamera. Ob man Vertrauen schaffen kann oder ob man denkt: hier entsteht gerade ein Film und ich brauche noch diese Einstellung oder den O-Ton. Im Dokumentarischen liegt ja gerade die Kraft darin, sich einlassen zu können. Also auch zu vergessen, was man wollte, sondern den Moment zu erzählen. Ein Moment, der meist nicht wiederkommt. Ich glaube wirklich, dass „die Realitäten“ mehr zu erzählen haben, als erdachte Geschichten. Der Dokumentarfilm ist ein Zwitter, eine Mixture aus beiden, darin liegt sein Potential. Die Montage sehe ich beim Dokumentarfilm wie ein „nachgeschaltetes Drehbuch“, dass das Rohmaterial erneut in Frage stellt und eine Geschichte in ihm liest. Mein Stilideal: Lebendigkeit.
Hast du Vorbilder für deine dokumentarische Arbeitsweise?
Ich habe nie in Vorbildern gedacht. Ich liebe Leute, die ihren eigenen Kopf benutzen und Risiken eingehen. Ihr Tun auch als ein Experiment begreifen. In ihrer dokumentarischen Arbeitsweise mag ich die Österreicher, sie haben nicht so einen weichgespülten Blick auf die Welt und verstehen Film nicht als eine Art Erklärstück.
Interview: Udo Bremer, Filmredaktion